Mutig

Mittwoch, 9. Dezember 2009

geprobter Mut

Vom geprobten Mut

Mut als Gefühl beherrscht den Verzweifelten ab einer Grenze, der Grenze des Ertragbaren. Erträglich wird die Verzweiflung durch den Mut und die Handlungen, die er erzwingt, die ihn auf die Probe stellen. Mut braucht die Verzweiflung, wie die Verzweiflung den Mut.
Unsere entmenschlichte Welt lässt verzweifeln, flüchten und resignieren. Wahrgenommen wird das nicht. Im Innern zernagt es den Menschen, jeden Menschen für sich, in seinem Innern. Ein Nagen bis zur Selbstaufgabe, zum Selbstmord des eigenen Willens und Wollens. Die Triebe bestimmen, diktieren und handeln, lassen das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein betroffen zurück. Letztlich schreit es nach Wahrnehmung, nach Geltung, nach Mut und bricht aus, es kann nicht mehr Tier sein, muss Mensch werden.
Der Mensch, als Schaf oder Adler, als Opfer oder Täter, passiv oder aktiv, hat Mut. Freilich beweist das Schaf diesen weit mehr, wenn es sein Lamm vor den Attacken des Adlers verteidigt. Aber auch der Adler beweist Mut, wenn er sich anmaßt dieses Lamm als schwach zu identifizieren und zu richten. Was sich da abspielt ist ein ringen von Mut im Augenblick. Zeigt der Adler schwäche, erwacht der Mut des Opfers, bleibt er stark, wird die Herde den Verlust verkraften, vergessen und weiter grasen. Verzweifelter Mut verleugnet die Stärke des Täters. Selbstaufgabe ist der Preis, wie eine Selbstverbrennung raubt es den Aktiven die Aktion und macht ihn zum Opfer.
Schafe gibt es viele; kauen – kacken – kauen – plöken – kacken - u.s.f.. Der Adler muss sich nicht sorgen den Mut zur Anmaßung zu verlieren, solange die Selbstaufgabe geheim, im Innern bleibt und nicht ansteckt. Wer lässt sich schon anstecken von Selbstaufgabe, wenn man, von Bewunderung umrahmt, mit rosa Schleifchen durch die Herde stolziert? Kann man das aufgeben wollen? Können da die Kadaver am Rand der Herde schrecken? Eher schon das Verrutschen des Schleifchens.
Ich will den Rand der Herde sehen! Ich will sie ins Zentrum zerren! Ich will zeigen was der Adler anrichtet! Ich will Empörung! Ich will Hass und Entsetzen! Ich will den Blick zum Boden, zum Kadaver, das Verrutschen des Schleifchens beim senken des Hauptes!
Der Adler kann nicht anders…
Mut ist Handeln, laut Handeln, dass es nachhallt in den Ohren der Beobachter. Wüten müssen die Mutigen, keinen Raum für Zweifel lassen. Ent-schlossen sind die Mutigen und nicht wieder einzuschließen. Aktiv sind die Passiven, auf dass die Aktiven erstarren. Die Mutprobe unserer Zeit braucht Mutmacher, die ihren mutigen Schrei mit Feuer und Qualm vermischen. Schwarzer Qualm, riechend nach verbranntem Fleisch der Selbstaufgabe. Flammen versengen die Schwingen des Adlers, blenden seinen scharfen Blick. Er erkennt das Schwache nicht mehr, wenn das Starke verbrennt. Mutig, Mutig ihr Selbstlosen, Mitleidigen, rettet die Schafe und werdet zum Adler.

Mutig

Maschinenmut

Mut, als Überwinder der Angst, braucht die Gefahr. Der postmoderne Mensch, im Gewand seiner beherrschenden Technik, braucht nichts mehr zu fürchten, außer sich selbst und das tut er mit hysterischer Hingabe, denn ohne Gefahr keine Angst und ohne Angst kein Staat. Manch einer bezeichnet den Staat als anerkannten und gewollten Schutzgelderpresser, der von der Angst lebt und, wie jedes selbstreferenzielle System, jene schürt. Worauf will ich hinaus? Ein paar Vergleiche machen das vielleicht anschaulich:
Wie war Reisen einst beschwerlich! Auf den Rücken der Pferde oder per pedes, auf windigen Holzschiffchen, wurde jeder Meter der urigen Natur abgetrotzt. Der Mut des Reisenden war schon in der Ankündigung einer Solchen allgegenwärtig. Hunger, Wetter, Wölfe und, ja auch damals schon, der Andere bedeuteten Gefahren, die einen gewissen Todesmut provozierten. Aber, auch das damals schon, der Profit heiligt die Strapazen. Der Profit! Im Allgemeinen ist der Profit im erreichen des Ziels zu finden, also im Sinn und Nutzen den dieses Erreichen mitsichbringt. Jetzt schnell zurück zum postmodernen Menschen (auch Maschinenmensch genannt). Wie ist Reisen heute unbeschwerlich! Galt einst ein weiser Spruch; der Weg ist das Ziel, ist der Weg heute kaum noch wahrnehmbar. Das Ziel ist das Ziel und der Weg; welcher Weg? Heute reist man im Tunnel mit selbigem Blick, im Kastentunnel des eigenen Gefährts, im Kastentunnel des fremden Gefährts und natürlich im Kastentunnel des Fliegers. Alle Kästen haben Fenster aber, wie beim Tunnelblick üblich, verschwimmt der Ausblick am Rand. Diese Zielstrebigkeit entwertet das Ziel. Zum Shopping nach London, zum Eisessen nach Venedig, zum Bergsteigen nach Tibet, zum Baden in die Karibik u.s.w. Geht’s noch? Fragt sich da Mancher mit Reflexionstalent.
Wie waren Krankheiten einst tödlich! Jeder mit Geschichtsbewusstsein kennt die dunklen Zeiten von Pest und Cholera, als schwarze Beulen und Blut wie Eiter spuckende Kranke das Ende der Zeit ankündigten. Natürlich verfrüht. Trotz Millionen von Toten Menschen wie Katzen, überlebten beide Arten das Drama. Dezimiert aber frischen Mutes. Wie sind Krankheiten heute harmlos! Massensterben wie Damals werden heute nur noch bewusst hingenommen, sind nicht mehr unvermeidlich aus Unwissenheit. Man gewinnt den Eindruck das Gefahr und Angst der Sinn der Krankheiten sind und nicht mehr deren Folge.
Wie waren Kriege einst sportlich! Es ist Krieg! Schallte es alljährlich durch die Strassen des antiken Athens. Endlich konnte sich der stolze Athener wieder seine Sporen verdienen im Kampf Mann gegen Mann (wenn es nicht grad gegen die Amazonen ging). Die Chance zu überleben war proportional zu Kampftalent und Mutpotential berechenbar und recht hoch. Ordnung und Zusammenhalt, sowie große Mutmacher brachten den Vorteil und den Sieg. Erinnerungen an Große Fußballspiele steigen in mir auf. Wie sind Kriege heute apokalyptisch! Der tief vergrabene Panzergrenadier sieht sich gewaltigen, unzerstörbaren Kolossen gegenüber, sein Kamerad neben ihm und natürlich, eine Millisekunde später, er selbst, wird aus 500 Metern Entfernung von einen 35 mm Geschoss zerfetzt. Die hoffentlich entwichene Seele des Grenadiers fragt sich: Woher kam der Schuss? Von Atombomben will ich hier gar nicht anfangen.
Anschaulichkeit erreicht? Technik und Mut sind wie Feuer und Wasser. Mut braucht der Mensch, um sich seiner Gefahr zu stellen, allerdings braucht er die Möglichkeit die Gefahr meistern zu können, sonst nutzt sein Mut nur, um Beobachter zum Kopfschütteln zu bewegen. Technik entfremdet! Keine neue These aber gut sichtbar im Kontrast der kollektivierenden Technik zum Mut des Einzelnen. Wieder ein Pamphlet zum Fatalismus? Mit Nichten! Wie die Beispiele hoffentlich zeigten, ist das Einzige, was der postmoderne Mensch noch zu fürchten hat, er selbst in seiner kollektivierten, technisierten Form. Kollektiv! Sind das nicht Zeichen einer vergangenen Zeit? Auch das hat die Technik vollbracht, sie tötete ihre Eltern und individualisierte die Menschen. Vielleicht tue ich der Technik hier auch unrecht und meine den Überfluss an Technik. Überfluss suggeriert ein Ersticken. Genau!

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